STIPPVISITE REPORTAGE

Mit dem Blindenstock durch die Dunkelheit

“Schaffe ich das?” Mein erster Gedanke, als es darum geht, nun in die absolute Dunkelheit zu treten – in Räumlichkeiten, die ich noch nie gesehen habe, in Räumlichkeiten, in denen ich nicht weiß, was mich erwartet…”Kriege ich Panik? Platzangst?”

Wir sind in Hamburg im Dialoghaus, einem interaktiven Museum, in dem es darum geht, die eigenen Sinne zu testen. Beim “Dialog im Dunkeln” tauchen wir für einen Moment in die Welt der Blinden ein. Für einen Augenblick werden wir erahnen, wie es ihnen gehen mag in der hektischen Welt da draußen.

Am Eingang zu den dunklen Hallen begrüßt uns der blinde Christian. Er weiß, wie viele Teilnehmer in dieser Runde dabei sind und bittet uns, die Vollständigkeit der Personen zu bestätigen. Dann suchen wir uns auf sein Geheiß Blindenstöcke in unserer Größe bzw. Länge aus. “Bis zur Brust sollten sie gehen”, erklärt er. “Diese Stöcke sind von nun an eure Wegweiser. Mit ihnen fühlt ihr, ob ein Weg zu Ende geht, ob eine Stufe nach unten oder nach oben führt, wie die Beschaffenheit des Bodens ist.” Dann übergibt Christian uns an Mark, der in der Dunkelheit auf uns wartet.

Mark ruft uns in die Dunkelheit. In seiner Welt. Vorsichtig, ganz vorsichtig tasten wir uns voran und folgen seiner Stimme.

In einer kleinen Einführung bereitet Mark uns auf unsere Reise im Dunklen vor: Kein Licht, kein Handy, weil es leuchtet, keine Uhr mit leuchtendem Ziffernblatt. Er fragt uns nach unseren Namen und bittet darum, uns mit Namen zu melden, wenn er uns während der Führung aufruft. “Ein “Ich bin hier!” hilft mir nicht weiter, denn ich kann nicht sehen, wer antwortet”, erklärt er.

Los gehts!

Vorsichtig, sehr vorsichtig hangle ich mich Schritt für Schritt voran. Die Augen habe ich geschlossen, um mich besser auf Geräusche konzentrieren zu können. Einen Arm habe ich weit ausgestreckt. Kann ich etwas fühlen? Laufe ich gegen eine Wand, in eine andere Person? Mit der anderen Hand halte ich den Stock fest umklammert, erkunde den Grund unter meinen Füßen.

Endlich. Eine Brücke, ich kann mich am Geländer entlang hangeln. Unter mir rauscht der Bach. Vögel zwitschern. Weiter gehts über eine Straße. Autolärm. Eine Stufe hinab, eine Stufe wieder hinauf. Langsam. Ganz langsam.

Um uns Sicherheit und uns eine kleine Orientierung zu geben spricht Mark viel zu uns. In einem Haus entdecken wir eine Küche: Mikrowelle, Herd, Tisch, Stühle… Langsam aber sicher verliere ich meine Angst vor dieser Dunkelheit und vor dem Ungewisssen. Ich weiß mich in Sicherheit. Schließlich würde das Museum niemals unsere Gesundheit aufs Spiel setzen. Doch wie mag es Mark gehen, wenn er von A nach B muss, vor allem wenn er weite Wege zurück legen muss, die er noch nie gegangen ist.

“Ja, man darf Blinde durchaus ansprechen, wenn man sieht, dass sie beispielsweise eine Straße überqueren wollen. Aber bitte: niemals einfach anfassen! Das ist ein No-Go. Fragt die Person, ob sie Hilfe möchte und wenn ja, wie. Sollte der Blinde keine Hilfe mögen, dann respektiert das bitte. Ich habe da schon die wildesten Dinge erlebt”, erzählt Mark.

Nachhaltig beeindruckend ist die Erfahrung im Blindenreich für uns. Noch am Tag danach drehen sich unsere Gespräche um das Erlebte und darum, welcher Herausforderung Blinde ausgesetzt sind und ob sie – so wie wir – einen romantischen Sonnenuntergang am Strand genießen können. “Den Sonnenuntergang erleben wir sehr intensiv”, hatte Mark uns erzählt. “Die Luft verändert sich. Die Temperatur verändert sich. Die Geräusche verändern sich.”

Der Besuch dieses Museums öffnet Augen – für eine Welt der Menschen, die nicht sehen können.

Dialoghaus Hamburg
Alter Wandrahm 4
20457 Hamburg (Speicherstadt)
Telefon 040 3096340
info@dialog-im-dunkeln.de
www.dialog-in-hamburg.de

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